Kathrin Schüring

Jahrgang 1963
Oberhausen

„Veränderungen sind ganz wichtig und man sollte davor keine Angst haben. Es ist eigentlich das Tollste was es gibt, sich zu verändern. Ich kenne auch ganz viele andere Stimmen und ich weiß auch um die Ängste, dass man sich nicht verändern will. Aber ich bin eben jemand, der sich gerne verändert.“

„Also ich hab schon auch Federn gelassen, also Kontakte sind auch auseinandergegangen. Das hab ich auch bei einer guten Freundin gemerkt, die dann gesagt hat, na du bist ja in den Westen gegangen. Also es sind Leute, die hier auch sehr engagiert waren, auch in kirchlichen Kreisen, die ein anderes System wollten. Also nicht dieses Überstülpen. Und da klang das dann für einige so, als hätte ich den einfacheren Weg gewählt, weil ich in weggegangen bin. Wo ich mich immer dagegen wehre, bei Ostleuten.“

„Und das war auch ein richtiger Lernprozess, als ich dann im Westen war. Ich hatte eine Schwiegermutter, die hatte mal Verkäuferin gelernt, das war noch in den 50er Jahren. Da war das im Westen noch ganz rückschrittlich, da haben die geheiratet und dann hat der Mann ihr verboten zu arbeiten. Dann war sie immer zu Hause, hatte 3 Jungs. Aber sie hat das auch sehr ernst genommen, die Erziehung. Ich hab das ja nicht so gesehen; das war meine Freude. Und ich musste das erst wirklich schätzen lernen, dass das ja auch Arbeit ist, das hat sie mir immer gesagt. Weil ich hab mich immer klein gemacht, wenn ich hierherkam in meine Umgebung, also in den Osten, dann haben die Leute immer zuerst gefragt: Hast du Arbeit? Und ich habe gesagt, ne, habe ich nicht. Und dann fühlte ich mich immer mies. Obwohl das ja meine Entscheidung war. Das war einfach mein Widerspruch.“

„Diese Identifikation mit der Arbeit, das hängt auch mit meiner Mutter zusammen, die sehr ehrgeizig war. Und Arbeit war eben ganz was Großes – und wenn man nicht arbeitet, dann ist man nichts gewesen. Ich wollte das einfach nicht. Vielleicht passte ich da auch nicht in das Raster rein. Also das Raster DDR war: Schule, Ausbildung, Heirat, … so eine Gleichförmigkeit.“

„Wenn Veränderungen anstehen, dann entscheide ich. Ich denke viel nach und das passiert auch nicht ad-hoc. Und ich glaube ich setze mir schon auch langfristige Ziele. Und ja, das klappt natürlich auch nicht immer. Aber ich glaube, man muss für sich so ein bisschen eine Richtung haben, einen Plan, wo man hinwill. Und da kann man manchmal auch sehr gut auf sein Bauchgefühl hören.“

„Ich denke man muss da wirklich offen sein. Das hilft einem wirklich weiter, Sachen zuzulassen oder anzunehmen. Je mehr man sich gegen was wehrt oder je mehr man sich eingräbt und sagt, ne, das will ich nicht oder das ist blöd oder.. doch, und aus vielerlei Perspektiven schauen.“

„Und ich kam hier aus so einer explosiven Stimmung, die Mauer geht hier auf und ich geh dahin und es interessiert gar keinen. Also das war wirklich krass.“

„Mein Mann hat hier auch Erlebnisse gehabt, mit den Leuten, manchmal auch nicht Schöne. Weil gerade hier in Brandenburg sind die Leute manchmal sehr krass mit den Wessis, gehen schon sehr schlimm um. Und er ist jetzt nicht so ein Typ, er ist eben ein sehr ruhiger zurückhaltender Typ, da finde ich es manchmal sehr ungerecht. Weil er hört eigentlich zu. Aber ja, das ist auch den Erfahrungen der Leute hier geschuldet, die manche Erfahrungen mit Westdeutschen hier gemacht haben, die übergriffig waren.“

Kathrin Schüring ist 1963 bei Fürstenwalde geboren. Nach der regulären Schullaufbahn hat sie – zu DDR-Zeiten eher untypisch – nach der ersten Ausbildung als Physiotherapeutin gleich noch eine zweite als Sozialarbeiterin angeschlossen. Direkt nach dem Mauerfall hat sie ihren späteren Mann kennengelernt und ist 1991 zu diesem nach Oberhausen gezogen, da es für ihn zu der Zeit deutlich schwieriger schien, nach Brandenburg zu ziehen und dort einen Arbeitsplatz zu finden.
Arbeitsplätze und Berufe hat Kathrin Schüring immer wieder gewechselt, und auch eine zeitlang nicht gearbeitet, sondern sich um die Erziehung ihrer Kinder gekümmert. Beides – der Umzug in den Westen und die Mutterrolle – hat dazu geführt, dass sie sich im Osten immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert sah, obwohl gerade letzteres ihre freie Entscheidung und kein Zwang der Umstände war. Viele Jahre begleitete sie das Gefühl mit Ost und West „zwischen den Stühlen zu stehen“.
Die Gestaltung von Veränderungsprozesse ist ein Teil von Kathrins Leben, die eigentlich erst mit 46 einen längerfristigen Arbeitsplatz angenommen hat und deshalb sagt, dass sie vielleicht auch vorher nicht so ganz in das relativ starre System der DDR gepasst hat. Die Wende und die folgende Beziehung zu ihrem Mann, kamen für sie zu einem passenden Zeitpunkt.
Das Lernen an Veränderung gibt ihr heute den Mut, für den kommenden Ruhestand einen neuen Umbruch zu planen und mit ihrem Mann zurück nach Brandenburg zu ziehen – nicht zuletzt, um dem aufkommenden Rechtsruck hier etwas entgegen zu setzen.