Siegrid Endruschat

Jahrgang 1956
Schneeberg

„Diese Umbruchzeit, die war ganz heftig. Da hat sich ja das komplette Leben geändert. Und da bin ich heute der Meinung, da ist zu viel übergestülpt worden. Die Eigenständigkeit der Region, der Menschen, das ist glaube ich überrannt worden, in der Zeit.“

„Also für mich waren diese Jahre tatsächlich positiv, also da kann ich nichts anderes sagen. Egal, was jetzt die persönliche Reisefreiheit, Demokratie, auch materielle Dinge – was ich mir zu DDR-Zeiten so nicht hätte leisten können – angeht. Ich muss aber auch dazu sagen, ich war auch nie arbeitslos.“

„Ich war Grundschullehrerin. Wie hat sich das verändert nach der Wende? Für mich war ganz positiv, dass ich mir dann Weiterbildungen aussuchen durfte. Ich habe mir dann die fachlichen Weiterbildungen gesucht, die mich interessiert haben. Die für mich wichtig waren. Und zu DDR-Zeiten, da hast du auch Weiterbildungen besuchen müssen, aber da waren eben auch die „roten Wochen“ dabei. Da hat man keine Wahl gehabt. Und in der Umbruchzeit war ganz viel möglich, da konnte man ganz viel ausprobieren. Das ist heute schon nicht mehr so.“

„Man darf sich nicht verblenden lassen. Wir haben nach der Wende häufig gehört, von außen, naja, du musst einen Kredit haben, das ist in.. Und das kam für mich nicht in Frage. Ich kann nur das ausgeben, was ich habe. Also diese ganze Konsumgesellschaft, was die Menschen hier ja komplett verrückt gemacht hat, logisch. Es war ja plötzlich alles da. Du konntest alles haben. Auch die, die es sich eigentlich nicht hätten leisten können, die wollten das ja auch haben, ist ja auch verständlich. Geh mal mit einem Kind in so ein Kaufhaus mit Spielsachen und du kannst nichts kaufen. Und das meine ich mit Verblendung. Was da alles – auf alle – einstürmt. Und da die richtige Kurve zu kriegen, ist schwierig.“

„In so einer Umbruchszeit können ja immer neue Sachen entstehen – und das ist ja auch richtig. Das soll ja auch so sein. Birgt auf der anderen Seite aber auch wieder Gefahren, dass dann Dinge entstehen können, die nicht gut sind.“

„Nee, das war schwierig, das war für alle schwierig. Weil sich ja alles komplett geändert hat. Aber – der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. Wir waren ja froh, dass es so gekommen ist. Und man kann aus allem das Beste machen, egal was es ist. Das ist eine Lebenseinstellung.“

Für Sigrid Endruschat persönlich waren die Jahre nach der Wende eine recht positive Zeit, in der sie als Lehrerin vor allem die Möglichkeit hatte, sich entsprechend ihrer Interessen weiterzubilden. Nicht nur für sie, sondern auch gesamtgesellschaftlich waren in dieser Umbruchsphase viele Dinge möglich, die es vielleicht schon heute nicht mehr sind – bspw. die Entwicklung von neuen Schulkonzepten. Sigrid Endruschat hat nach der Wende selbst eine zeitlang an einer reformpädagogischen Schule gearbeitet, musste jedoch feststellen, dass auch hier z.T. mehr bestehende Konzepte übernommen wurden, als ihr lieb war.

Unabhängig von ihrem eigenen Werdegang kritisiert Sigrid Endruschat heute, dass in der Zeit nach der Wende zu viel übergestülpt wurde, und die Eigenständigeit der Menschen und der Regionen übergangen wurden. Im Schulsystem zeigte sich das für sie am deutlichsten an der Abschaffung des gemeinsamen Unterrichts bis zur 10. Klasse, dem aus ihrer Sicht nur positive Aspekte zuzuschreiben waren.

Für viele Menschen sei es sehr herausfordernd gewesen, mit den vielen neuen Angeboten und vermeintlichen Notwendigkeiten – wie Krediten – umzugehen. Sich in solchen Situationen aufs Wesentliche zu besinnen, ist etwas, was sie anderen – und zukünftigen Generationen – mitgeben würde.