Ulrike Hippe hat erlebt, wie ein geschichtliches Momentum sehr viel Engagement freisetzen kann. Der erfolgreiche Protest gegen den Abriss ihres Dorfes prägte ihr Vertrauen in kollektives Handeln. Aber auch die Umbruchzeit nach der Wende hat sie geprägt: zahlreiche Freund:innen sind weggezogen, das Schulsystem hat sich gewandelt, in den 1990er Jahren haben sich rechte Strukturen etabliert. Deshalb hat sie das Dorf verlassen. Aber die positiven Engagement-Erfahrungen aus der Kindheit haben auch dazu beigetragen, dass sie heute wieder auf einem Dorf lebt und versucht, mit den anderen Bewohnern gemeinsam etwas anzustoßen. Durch ihre Erfahrungen, privat wie beruflich, hat sie gelernt: Wer soziale Veränderung will, braucht nicht nur Ideen, sondern auch Konfliktbereitschaft, Geduld und gegenseitige Anerkennung.
„Ein paar Jahre vorher hätte keiner seine Meinung äußern dürfen, der Abriss des Dorfes wäre einfach passiert. Und ein paar Jahre später hätten die Leute wahrscheinlich größtenteils die Entschädigung genommen anderswo gebaut. Aber genau in dieser Zeit hat es so stattgefunden, wie es drei oder fünf Jahre vorher und nachher nicht möglich gewesen wäre.“
„Ich wurde eingeschult im Wendejahr, und mittendrin gab es Pläne, unser Dorf für den Tagebau abzureißen. Und genau in dieser Zeit war Protest möglich – und erfolgreich.“
„Ich bin in einer sehr lauten und öffentlichkeitswirksamen Familie aufgewachsen.“
„Für mich war es leichter, einem neuen Dorf eine Chance zu geben, als dem Ort, von dem ich wusste, warum ich weg bin.“
„Wenn wir es nicht benennen, ist es nicht da – das bringt uns nicht weiter.“
„Es braucht die Bereitschaft, Konflikte durchzustehen und daran zu wachsen. Sonst entsteht kein echtes Miteinander.“
Ulrike Hippe wurde 1982 in der Oberlausitz geboren. Ihre Eltern waren zuvor aus Halle-Neustadt in ein kleines Dorf nahe des Kraftwerks Boxberg gezogen. In der Aufbruchsstimmung der Wendezeit wurde dort erfolgreich gegen den Abriss des Ortes durch den Tagebau protestiert. Ulrikes Vater war eine der führenden Protestfiguren und engagierte sich auch beim Neuen Forum. Ulrike wuchs in einer lauten, öffentlich präsenten Familie auf. Mit 16 ist sie aus dem Dorf weggezogen, auch weil sie sich unter den damals vielen NPD-Wähler:innen fremd fühlte. Sie hat zunächst Übersetzen in Zittau studiert, dann lange in Görlitz gelebt, danach in Leipzig. Heute lebt sie mit ihrer Familie wieder in einem Dorf und berät Vertrauen Wohnprojekte im ländlichen Raum.