Fabian Brauns

Jahrgang 1980
Buckow (Märkische Schweiz)

„Wenn man so viel Veränderung erlebt, wird man schon ein bisschen beweglicher im Denken.
Ich habe in zwei Gesellschaftssystemen gelebt – und kann Vor- und Nachteile so anders bewerten.“

„Ein Land mit einem Riesen-Spitzelapparat, das seine Bürger und Bürgerinnen einsperrt, halte ich nicht in Ansätzen für ein gutes Staatsmodell. Ich lehne auch jede Romantisierung der DDR ab. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Nachwendezeit deutlich anders hätte gestaltet werden müssen. Ich hätte mir und uns deutlich mehr Raum und Mitentscheidung für die Reform- und Bürgerbewegungen gewünscht.“

„Ich war erst neun Jahre alt, als die Mauer fiel. Aber auch als Kind war für mich schon spürbar, dass wir in einer Diktatur lebten. Dass die Kinder, die nicht bei den Pioniernachmittagen waren, sondern bei der Christenlehre, mit ziemlicher Sicherheit ein systemkritisches Elternhaus hatten. Mein Grad an Reflektion war natürlich noch nicht so stark ausgebildet, aber langsam bildete sich mein Blick für so etwas heraus und ich fragte mich: Wie werden die Jungpioniere betrachtet? Wo können sie mitmachen – und andere nicht?“ 

„Der Mauerfall kam für mich überraschend, obwohl auch ich gespürt hatte, dass sich etwas verändert. Mein Vater hat mich sogar einmal zu einer Demonstration in den Berliner Lustgarten mitgenommen, das muss am 4. November 1989 gewesen sein, da sprach Gregor Gysi. Meine Eltern waren schon politisch, wollten Reformen. Und dann aus der zusammengebrochenen DDR etwas Neues machen. Es stieß ihnen auf, dass der DDR das System der BRD einfach übergestülpt wurde. Vater saß nach der Wende für die PDS im Stadtparlament. Es ging ihm darum, die Stadt neu zu entwickeln.“ 

„Nach der Wende brach bei uns in Buckow, einer Kleinstadt im Osten Brandenburgs, die vorher sehr intakte Einzelhandelsstruktur sukzessive zusammen. Vieles machte zu, die üblichen Elektroläden auf. Viele machten gute Geschäfte mit dem Verkauf von Südfrüchten. Sie fuhren nachts zum Großhandel in Berlin und verkauften die Ware dann am nächsten Tag in Buckow. So begann das mit dem neuen System bei uns. Und in dem Moment fand ich das auch gar nicht so schlecht – ich investierte mein Taschengeld in Kiwis.“ 

„Die neuen Freiheiten spürte ich am stärksten mit 15, 16 Jahren. Mitte der 90er gab es in Buckow einen selbstverwalteten Jugendclub, der uns von der Stadt großzügig überlassen wurde. Wir hatten den Schlüssel und bauten uns einen halblegalen Club auf, mit DJ, Programm und Barbecuepartys. Damals gab es so 50, 60 Jugendliche in unserer kleinen Stadt – heute sind es viel weniger. Wir waren stark geprägt von der Subkultur, Punk, Metal, Techno. Diese Zeit empfanden wir als unglaubliche Freiheit. Aber sie hatte natürlich auch schroffe Schattenseiten. Es gab wahnsinnig viele Drogen. Und alle paar Monate fuhr einer gegen einen Alleebaum, starb den sogenannten ‚Brandenburger Tod‘.“ 

„Mein Rat: Habt keine Angst vor Veränderungen, bringt euch ein! Im Nachhinein sieht man, wie wichtig es gewesen wäre, bei der Wiedervereinigung alle mitzunehmen. Den Leuten zuzuhören. Leider hat man das vergessen und es hat schmerzliche Wunden hinterlassen.“ 

Fabian Brauns war neun Jahre alt, als die Mauer fiel. Geboren in Berlin-Friedrichshain zog er Mitte der 80er Jahre mit seinen Eltern nach Buckow, einer kleinen Stadt im Osten Brandenburgs. Er erinnert sich an eine schöne, behütete Kindheit. Seine Eltern beschreibt Brauns als „systemangepasst“. Der Vater leitete eine Berufsschule, die Mutter arbeitete als Förderschullehrerin. Schon als Jungpionier – seine Gruppe empfand Fabian zuweilen als zu militaristisch – erlebte er mit, wie schwierig das Leben in einer Diktatur für einige seiner Freunde mit systemkritischem Elternhaus war. Die Wende, die für Fabian als Neunjährigen überraschend kam, nahm er zunächst als positiv wahr: Die Eltern blieben Pädagogen, die Mutter sattelte noch ein Studium drauf, dazu kamen die „schönen Reisen, die man nun machen konnte“. Buckow bekam einen selbstverwalteten Jugendclub, die neuen Freiräume empfand Fabian als „unglaublich groß“. Nach Abitur und Zivildienst zog er nach Berlin und studierte Soziologie. Seit 2015 wohnt er wieder in seinem Elternhaus in Buckow, inzwischen mit seiner eigenen Familie. Fabian arbeitet im Kompetenzzentrum Kinderund Jugendbeteiligung des Bundeslandes Brandenburg und aktuell in einem Klimabildungsprojekt.