„Ich verstehe erst jetzt, in der Rückschau, dass die Wende für viele eine absolute Einschränkung war. Meine Eltern haben sie als einen Gewinn betrachtet. Meine Mutter verdiente nach der Wiedervereinigung als Lehrerin besser. Wir konnten ein Haus bauen. Ihr damaliger Mann verlor seinen Job in einer Druckerei zwar, fand aber einen neuen. Mein Schwiegervater wechselte ins Landratsamt. Sie haben die Chancen, die sich boten, genutzt. Aber natürlich haben wir auch darüber diskutiert, ob das alles nicht hätte langsamer gehen können und behutsamer.“
„Ich war 14 Jahre alt, als die Wende kam – und plötzlich erwachsen. Die Elterngeneration hatte plötzlich so viel mit sich selbst zu tun, sie musste sich neu orientieren und konnte sich nicht mehr um uns kümmern. Wir wurden sehr schnell selbstständig.“
„Ich kann mich noch gut an die Feier zur deutschen Einheit erinnern, bei uns zuhause eine Mischung aus Silvester und Polterabend. Um Mitternacht trafen sich alle auf der Straße und zündeten ein Feuerwerk an. Meine Eltern besaßen damals teure Sektgläser, die wurden zuvor gehütet wie Augäpfel. Und dann haben sie sie an diesem Abend aufs Pflaster geworfen. Als Zeichen, dass ein neues Leben anfängt.“
„Die Wiedervereinigung ging sehr schnell, das hatte Vor- und Nachteile. Vieles ist unfair gelaufen. Unsere Wirtschaft und Betriebe so platt zu machen, wäre nicht notwendig gewesen. Viel Wissen ist dabei verschütt gegangen.“
„Ich habe die Wende als große Chance empfunden. Ich bin stolz darauf, sie bewusst miterlebt zu haben.“
„Auch nach so vielen Jahren fühle ich mich noch als Kind des Ostens.“
Jana Ahnert wurde 1975 im sächsischen Mittweida geboren. Dort wohnten auch ihre Großeltern, die ein wichtiger Teil ihrer Kindheit waren. Ahnerts Mutter, eine Lehrerin, erlebte Höhen und Tiefen, sie heiratete, ließ sich scheiden, heiratete erneut, wurde Witwe. Ahnert lernte früh, mit Veränderungen umzugehen. Und engagierte sich „politisch“, in der Selbstverwaltung der Jungen Pioniere. Als Zwölfjährige fuhr sie für vier Wochen auf Auszeichnungsreise in die Sowjetunion. Kurz darauf fiel die Mauer. Janas Eltern, die auf den Leipziger Friedensdemonstrationen mitmarschierten, standen der Wiedervereinigung positiv gegenüber. Die Mutter blieb Lehrerin, konnte ein eigenes Haus bauen. Ahnert ging nach dem Abitur nach Dresden und studierte Architektur. Anschließend betreute sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin Studierende bei der Entwurfsplanung. 2007 zog Ahnert mit ihrer Familie nach Erlau, auf den Vierseithof der Eltern ihres Mannes. 2014 gründet sie gemeinsam mit anderen Engagierten einen Verein, der den alten Bahnhof von Erlau saniert. Seitdem ist der „Generationenbahnhof“ mit seinem bunten Angebot ein Treffpunkt für alle. Neben ihrem ehrenamtlichen Einsatz arbeitet Ahnert als Geschäftsführerin einer evangelischen Schule, die auch einen Hort und einen Kindergarten betreibt.