Franziska Mascheck

Jahrgang 1979
Dresden

„Es ist wichtig, selbst zu erleben, dass man etwas verändern kann.“

„Plötzlich – in der Wendezeit, als der Beitritt zur Bundesrepublik kam und das große Aufräumen bei der Stasi begann – hat in unserem Haus keiner mehr mit dem anderen gesprochen. Von einem Tag auf den anderen. Da war großes Misstrauen, weil keiner wusste, wer bei der Stasi gewesen war. Das war total verrückt.“ 

„Es war alles falsch, was bis dahin passiert war. Das gesamte Lebenskonzept, das sich die Menschen aufgebaut hatten, war falsch. Und man wusste nicht, wer hat wen ausgehorcht.“ 

„Wir hatten kein Privatvermögen, nur ganz wenige hatten das im Osten. Deswegen gab es auch keine Darlehen für uns. Mein Vater wollte einen Spielzeugladen und ein Tonstudio aufmachen, das ging nicht.
‚Ich wusste nicht wie‘ ist ein bezeichnender Satz für die Zeit. Mein Vater wusste nicht, wie das Land funktionieren sollte, welche Unterstützung es gab für manche Projekte. Niemand wusste das – und es hat uns auch keiner gesagt/erklärt.“ 

„Rückblickend bewertet sagt mir mein Gefühl, dass viele rübergekommen sind, die wussten, wie das Land funktioniert, die sich sämtliche Vorteile verschafft und Positionen und Fördermittel eingestrichen haben – und wir Ossis waren einfach doof. Nicht weil wir nicht intelligent genug waren, sondern weil uns einfach niemand gesagt hat, wie der Laden läuft.“ 

„Die Zeit war eine Mischung aus Orientierungslosigkeit, Unwissen und geprägt von ungleichen Startbedingungen. Die Freiheit, die durch die Wiedervereinigung faktisch da war, wurde durch nicht vorhandenes Geld stark eingeschränkt.“ 

„Das Bewusstsein für Biografien aus der DDR existiert in der bundesweiten Deutungshoheit so gut wie gar nicht.“ 

„Aus heutiger Sicht schaue ich mit Dankbarkeit auf die Wiedervereinigung. Was ich jetzt machen darf, zu sehen, was möglich ist im Land, was man gestalten kann, wie man demokratisch diskutiert und zu Lösungen kommt, das erfüllt mich mit Dankbarkeit.“ 

„In Phasen der Veränderungen ist das Wissen darüber wichtig, wie man die Veränderungen selbst aktiv gestalten kann. Was überhaupt nicht funktioniert: Wenn man erwartet, dass ‚der Staat‘ oder ‚die Politik‘ das schon macht und Lösungen für alle Probleme anbietet. Das ist aber eine Haltung, die aus der alten DDR-Sozialisation heraus entstanden ist.“ 

„Um zu verhindern, dass sich so viele abgehängt fühlen, wäre es wichtig gewesen, die Menschen am Aufbau und an der Gestaltung zu beteiligen, anstatt sich Pöstchen zu sichern.“ 

Die Wendezeit war für Franziska Mascheck lange Zeit negativ behaftet und von großer allgemeiner Orientierungslosigkeit geprägt. Die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit schürte viel Misstrauen. Außerdem war plötzlich die gesamte Lebensweise, alles, was sich die Menschen aufgebaut hatten, nichts mehr wert und falsch – und niemand habe erklärt, wie das Leben in dem neuen Land funktionieren sollte. Erst als sie erste (unbewusste) Selbstwirksamkeitserfahrungen machte, als sie selbst die Entscheidung traf, Tanz zu studieren, statt Abitur zu machen, lernte sie (weiterhin mit vielen Hindernissen) die Vorzüge der Wende und der damit verbundenen Freiheiten zu schätzen. Einschneidend waren die Erfahrungen und Erlebnisse als alleinerziehende Mutter, die sie zunächst verzweifeln ließen, später dann aber dazu geführt haben, dass sie erkannte, dass sie die Gestaltung ihres Lebens selbst in die Hand nehmen muss. Veränderungen zu bewirken und die Menschen dabei mitzunehmen, ist als Politikerin nun eine ihrer Hauptmotivationen.