„Ich habe das Gefühl, dass meine Generation ganz stolz ist, aus Ostdeutschland zu kommen.“
„Für meine Eltern war es wahnsinnig schwer, sich nach dem Zusammenbruch der DDR und dem Jobverlust umschulen zu lassen und einen komplett neuen beruflichen Weg zu finden. Das war für beide ein krasser Schock. Mein Vater war zehn Jahre lang mehr oder weniger arbeitslos und wir hatten sehr lange sehr wenig Geld. Das hat zu viel Streit und Sorge in der Familie geführt.“
„Als ich in angefangen habe in München zu studieren, habe ich richtig krass gemerkt, dass immer noch Unterschiede gemacht werden, dass ich mich anders beweisen muss, weil ich aus Brandenburg komme. Manche waren überrascht, dass ich überhaupt in München studieren durfte mit meinem Dreier-Abitur aus Brandenburg.“
„Es gibt noch immer ein sehr negatives Bild von den Menschen aus Ostdeutschland. Das ist wirklich schade und wir müssen daran arbeiten, das zu ändern. Es wäre gut, wenn sich alle mehr Mühe geben würden, sich besser zuzuhören.“
„Ich bin froh, dass der Solidaritätszuschlag jetzt wegfällt, dass es ein bisschen gleichberechtigter ist. Vielleicht baut sich dann auch diese Haltung ab, dass im Westen das Geld erwirtschaftet wird, um es im Osten abzugeben.“
„Ich finde, man hätte die Unterschiede zwischen Ost und West mehr herausarbeiten und feiern können, statt sie zu verstecken und den Westen zu überhöhen. Das Potenzial aus dem Osten wurde ja gar nicht in Betracht gezogen.“
„Es ist irgendwie wie bei Mann und Frau: Ost und West sind wie zwei unterschiedliche Geschlechter, die einiges unterscheidet, die aber auch eine Menge Gemeinsamkeiten haben. Das zu feiern, beide Seiten so sein zu lassen wie sie sind und trotzdem eine Einheit zu bilden, das wäre toll gewesen und es wäre auch zukünftig toll.“
„Was man auf jeden Fall viel besser hätte machen müssen: Den Menschen das Gefühl geben, dass sie gesehen und dass sie nicht abgehängt werden. Die Menschen im Osten wurden überhaupt nicht einbezogen in Entscheidungen, die ihr Leben grundlegend verändert haben. Es nicht wert zu sein, gefragt zu werden und dieses neue System zusammen aufzubauen, das hat glaube ich sehr viel Schmerz, Wut und Irritation verursacht. Damit haben viele auch heute noch zu kämpfen.“
„Man sollte Menschen öfter dazu aufrufen, sich zu beteiligen und ihnen das Bewusstsein vermitteln, dass sie etwas verändern können. Wenn alle denken, irgendwer macht das schon, dann ist es bald vorbei mit unserer Demokratie. Damals hat man stattdessen den Menschen das komplette Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit entzogen.“
Marie Golüke ist im Jahr des Mauerfalls geboren. Sie verbindet ein sehr besonderes Erlebnis mit dem 9. November 1989. Sie wurde mit einem Herzfehler geboren, der in Ostdeutschland nicht behandelt werden konnte. Deshalb wurde sie am 9. November im Deutschen Herzzentrum im Berliner Westen erfolgreich operiert. Aufgewachsen ist sie im Fläming in Brandenburg, später hat sie Theaterwissenschaften in München und Performance Studies in Hamburg studiert. Seit 2010 arbeitet Golüke als Freie Theater- und Performancekünstlerin und Kulturmanagerin, lebte lange in Berlin, war ihrer Heimat aber noch eng verbunden: Einmal im Jahr veranstaltet sie seit 2013 das Festival für Freunde in Dahnsdorf. 2022 ist sie dann wieder nach Brandenburg zurück- gekehrt und kandidiert dort für die Stadtverordnetenversammlung.